Immer wieder werden wir als Piercer*innen oder als Mitarbeiter*innen eines Piercingstudios bei Auswahlschwierigkeiten mit der Frage konfrontiert, ob man dieses oder jenes Schmuckstück anprobieren könnte. Aus mehreren Gründen ist dies aber nicht möglich und ich möchte mir gern die Zeit nehmen, sie niederzuschreiben und zu erklären.
Gibt es denn ein gesetzliches Umtausch- und Rückgaberecht?
Jein! Denn grundsätzlich gibt es kein Recht auf Umtausch oder Rückgabe. Es sind in allen Handelsfällen lediglich Möglichkeiten des Umtausches aus Kulanz der Verkäufer*innen gegenüber den Kund*innen. Ausnahme ist der Erwerb über einen Online-Shop, da hier ein 14tägiges Umtauschrecht bzw. Widerrufsrecht gewährt werden muss. Auch hier gilt natürlich, dass der Artikel ungetragen und in einem unversehrten Zustand ist. Um für alle Seiten ein Höchstmaß an Transparenz und Sicherheit zu bieten empfiehlt es sich, wie so oft, sich die Zeit zu nehmen Allgemeine Geschäftsbedingungen zu verfassen oder als Kund*innen diese vor dem Kauf durchzulesen.
Vor allem gilt aber gemäß § 433 Absatz 1 Satz 2 BGB, dass die verkaufende Person der kaufenden Person den Artikel grundsätzlich frei von Sach- und Rechtsmängeln zu übergeben hat. Wenn die Kaufsache also keinen Sachmangel nach § 434 BGB oder einen Rechtsmangel nach § 435 BGB hat, steht der kaufenden Person eigentlich kein Rückgaberecht zu, schließlich wurde eine mangelfreie Sache gekauft und ein Kaufvertrag ist bindend.
So gilt einmal mehr bei Unterwäsche und Schuhen, dass beides ungetragen sein muss. Schließlich möchte niemand einen neuen Slip erwerben, um dann festzustellen, dass irgendwo ein Fleck oder eine Ablagerung darin zu finden ist, noch möchte man Falle der neu gekauften Sandale eventuelle Pilzerkrankungen mitkaufen.
Nun schauen wir uns den Sachverhalt bei einem Piercingschmuckstück an. Dieses kann niemals ohne Körperkontakt eingesetzt werden. Es wird durch den Narbenschlauch geschoben, wodurch es unmöglich wird, dass sich auf der Oberfläche des Materials keine Ablagerungen ansammeln. Diese können ein Gemisch aus beispielsweise Kosmetika, aber vor allem Körperfetten, abgestorbenen Hautzellen und möglicherweise sogar Blut zusammensetzen. Je nach Zustand und Alter des vorhandenen Piercings kann es beim Anprobieren zu Kleinstverletzungen kommen und das wiederum erhöht die üblichen Kontaminationen um flüssige Anhaftungen.
Darüber hinaus wird jedes Schmuckstück, sei es ein Ring (mit oder ohne Kugeln) oder ein Stab (gerade, gebogen oder gewinkelt), im geöffneten Zustand eingesetzt. Da sich aber beim Durchführen nicht nur außen, sondern auch in den Stab oder die vorhandenen Gewinde, Einbuchtungen oder Vertiefungen des Schmuckmechanismus diese Ablagerungen setzen, ist eine tiefere Kontamination des Schmuckstücks kaum zu verhindern. Hierbei können Einführhilfen verwendet werden, die zwar das gesamte Problem der eingetragenen Ablagerungen minimieren, aber garantiert nicht gänzlich verhindern.
Auch das Vorhandensein eines oder mehrerer Steinfassungen an deinem neuen Körperschmuck ist ein weiterer Grund, weswegen der Umtausch und auch das Anprobieren von Piercingschmuck in professionellen Piercingstudios ausgeschlossen ist, da sich durch das Tragen, Einsetzen und der Handhabe in all die kleinen Ecken und Vertiefungen der Fassungen Ablagerungen einsetzen können, die nur schwer bis gar nicht herausgereinigt werden könnten (und mit dem bloßen Auge gar nicht zu sehen sind).
Daraus ergibt sich aber auch ein weiterer Punkt, welcher wirtschaftlich für uns als Piercer*innen ins Gewicht fällt. Was würde in der Vitrine liegen bleiben, wenn unsere ersten Kund*innen des Tages viele unserer Einzelstücke aus der Vitrine anprobieren würden? Und wie sicher ist die Verwendung von getragenen Schmuckstücken für den Ersteinsatz!?
Jedes Schmuckstück, welches in einem Online-Shop erworben wird, sollte in einer transparenten und versiegelten Umverpackung ausgeliefert werden. Wenn du dann nämlich siehst, dass das bestellte Schmuckstück nicht gefällt oder von den Dimensionen nicht passend ist, so kannst du dieses auch wieder zurücksenden und hast ebenfalls die Sicherheit, dass der Schmuck ungetragen bei dir eingetroffen ist.
Immer wieder sind auch Argumente vorgebracht, dass wir als Piercingstudio doch sämtliche Gerätschaften hätten, um die Schmuckstücke zu reinigen, zu desinfizieren und zu sterilisieren, somit doch das Anprobieren möglich sein müsste. Und so ganz unrichtig ist das natürlich auch nicht, aber so einfach ist das nun mal auch nicht.
Jedes Schmuckstück wird von uns vor dem Piercen aufbereitet. Das heißt alle Ablagerungen, welche sich aus produktionsbedingten Rückständen sowie Staubablagerungen oder Anhaftungen durch den unbehandschuhten Kontakt, werden mithilfe von Ultraschall oder chemischer Desinfektion entfernt. Zur Aufbereitung zählen die Reinigung und Desinfektion sowie die Sterilisation.
Selbst unsere Instrumente, welche weitere Ablagerungen wie Körpersekrete (Speichel, Blut etc.) aufweisen können, befinden sich immer nur am und nie im Körper.
Ablagerungen, die auf Basis von Hautfetten und Kosmetika bestehen sind eher die große Ausnahme und bedingen immer einen zusätzlichen Reinigungsschritt in der Aufbereitung, nämliche die mechanische Reinigung per Hand. Dieser Schritt ist zeitaufwendig und verursacht zusätzliche Kosten. Kosten, die der anprobierte Schmuck nicht wieder zurückerstatten kann. Letzten Endes ist es auch schwierig zu erklären weshalb ein vielprobiertes Schmuckstück immer teurer werden müsste.
Davon ab, würdest du eine getragene, aber gewaschene Unterwäsche von jemand Fremden tragen wollen? Durch das Anprobieren von Schmuck, auch bei größter Sorgfältigkeit, ist eines, was bleibt, ein Restrisiko.
Wir, als Piercer*innen und Körperschmuckverkäufer*innen, stehen mit all unserer Erfahrung und unseren geschulten Augen an deiner Seite und beraten gern. Wir halten für dich eine Auswahl an Körperschmuck bereit und helfen dir dabei das Richtige zu finden. Wir ermöglichen unseren Kund*innen einen Blick in den Spiegel und halten dir den Schmuck ohne Körperkontakt vor die jeweilige Körperstelle oder verpacken dir diesen für den Moment in einem Druckverschlussbeutel, um ihn anzuhalten und so einen Eindruck davon zu bekommen, ob die Auswahl überzeugt.