Wir stellen uns vor, dass dein Piercing unter hygienisch optimalen Umständen entstanden ist (wie du das richtige Piercing-Studio findest, kannst du hier nachlesen). Was optimal ist? Dein*e Piercer*in trägt beim gesamten Prozess einen Mundschutz. Dein Piercing wurde unter sterilen Voraussetzungen gestochen. Ein steriler Piercingvorgang bedeutet, dass dein*e Piercer*in mit einem sterilen Feld, sterilen Handschuhen sowie Instrumenten, einer sterilen Einwegnadel und sterilem Schmuck gearbeitet hat. Die zu piercende Stelle wurde vorweg mindestens zwei Mal großflächig mit einer Hautdesinfektion (bei Schleimhäuten mit Schleimhautdesinfektion und ggf. antibakterieller Mundspülung) behandelt und die Einwirkzeiten wurden ebenfalls beachtet. Ja, ein Piercing sollte ablaufen wie ein kleiner operativer Eingriff. Diesen Ablauf behalten wir im Hinterkopf.
Piercing-Pflege – warum eine Desinfektion keine Pflege ist
Was ist eigentlich eine Desinfektion?
Eine Desinfektion wird laut Deutschem Arzneibuch dafür genutzt, „totes oder lebendes Material in einen Zustand zu versetzen, dass es nicht mehr infizieren kann“. Eine Desinfektion ist demnach nur notwendig, wenn bereits Krankheitserreger in die Wunde eingetreten sind oder ein hohes Infektionsrisiko vorliegt.
Die meisten Desinfektionsmittel sind nicht für eine Langzeitanwendung geeignet, da nach der Überschreitung der Anwendungsdauer Schädigungen des Gewebes eintreten können und nicht jedes Mittel unter gleichen Voraussetzungen anwendbar ist (Polyhexanide sind beispielsweise für die Langzeitanwendung geeignet, so wie Octenidine, sind allerdings knorpeltoxisch; letzteres sollte nicht länger als 14 Tage genutzt werden. Iod kann bei Schilddrüsenerkrankungen problematisch werden und sollte ebenfalls wie Alkohol und Wasserstoffperoxid nicht länger als zwei Wochen eingesetzt werden).
Durch eine dauerhafte Überreizung der Haut wird der Säureschutzmantel angegriffen, die Desinfektion unterscheidet nicht zwischen „guten“ oder „bösen“ Mikroorganismen. Die Haut wird rissig und der Körper wird anfälliger für das Eindringen von Krankheitserregern.
Mehrere Mittel gleichzeitig anzuwenden ist ebenfalls nicht zu empfehlen. Hier gilt, weniger ist mehr! Allein, wenn wir die Anwendungsdauer der Desinfektionsmittel mit der Abheilungszeit unserer Piercings vergleichen (je nach Stelle von zwei Monaten bis zu anderthalb Jahren) ist klar, es muss ein anderes Mittel her.
Rufen wir uns nochmal den optimalen Zustand unseres Piercings ins Gedächtnis. Durch die saubere Arbeitsweise kann ausgeschlossen werden, dass Krankheitserreger in die Wunde eingetreten sind und unser Piercing einem hohen Infektionsrisiko unterliegt.
Wie also mit dem frischen Piercing umgehen? Zunächst ist es wichtig, dass die Umstände auch beim Verlassen des Studios möglichst gut bleiben, das bedeutet, dass jegliche infektiösen Situationen vermieden werden (wie du dein Piercing Schritt für Schritt pflegen solltest, kannst du hier nachlesen), achte darauf, dass du dein Piercing nie mit ungewaschenen Händen anfasst, halte die gepiercte Stelle trocken und sauber sowie keimbelastete Oberflächen fern.
Dein Piercing sollte also nicht desinfiziert, sondern gepflegt werden und das mit 0,9%iger Kochsalzlösung (NaCl). Kochsalzlösung wird seit jeher auch im Krankenhaus zum Spülen von jeglichen großen und kleinen Wunden genutzt. Sie kann steril problemlos injiziert werden und wird auch bei Dehydrierung angewendet. So versorgt sie den Körper mit Nährstoffen, wirkt durchblutungsfördernd und ist isotonisch (trocknet die Zelle demnach weder aus noch diffundiert zu viel Flüssigkeit in die Zelle, es ist ein Idealzustand hergestellt).
Bei einem Piercing wird die Haut verletzt. Um wieder zu heilen, bildet der Körper neue Zellen, diese werden unterstützend mit Kochsalzlösung versorgt und nach einiger Zeit (je nach Stelle) hat sich ein stabiler Narbenkanal gebildet und dein Piercing ist abgeheilt.
Du solltest zwei Mal am Tag dein Piercing gründlich abduschen, bei diesem Prozess entfernen sich bestenfalls alle Verklebungen und Verkrustungen (bei Bedarf kannst du auch eine PH-hautneutrale Seife nutzen). Trockne die Stelle mit einer sauberen Kompresse und trage auf eine neue Kompresse Kochsalzlösung auf. Mach einen getränkten Umschlag um dein Piercing und lass diesen mindestens fünf Minuten (maximal 15 Minuten) auf der gepiercten Stelle. Die Kochsalzlösung sollte das umliegende Gewebe großflächig abdecken. Nach dieser Zeit kannst du die Kompresse entfernen und die Stelle wieder vorsichtig abtrocknen. Statt Kompressen können auch Tauchbäder angewendet werden.
Für die erste Zeit solltest du eine sterile Kochsalzlösung verwenden, je nach Heilungsprozess kannst du diese später auch selber ansetzen (sprich das bitte mit deine*r Piercer*in ab). Das Piercing sollte über den gesamten Heilungszeitraum gepflegt werden, sprich mit einem Profi ab, ob du die Pflege einstellen kannst.
Der Ausbruch einer Infektion ist bei einem Piercing meist eine bakterielle Entzündung. Diese hat folgende Symptome: Rötung, Schwellung, Wärme, Schmerzen und Funktionseinschränkung. Bakterien haben keinen Zellkern, also siedeln sie sich im Cytoplasma unserer Zellen an und die Infektion breitet sich durch Zellteilung aus, wodurch die Entzündung sehr schnell fortschreitet. Nur in diesem Falle ist eine Desinfektion ratsam.
Wenn dein Piercing diese Symptome aufweist, solltest du diese dringend zunächst mit deine*r Piercer*in besprechen und ebenfalls eine*n Ärzt*in aufsuchen.
Aus Erfahrung kann gesagt werden, dass es sich bei Piercing-Problemen in den meisten Fällen eher um eine Reizung als um eine Entzündung handelt. Tritt auch hier mit deinem Studio in Kontakt. Häufig wird die Pflege und nötige Vorsicht zu schnell vernachlässigt. Ein Anpassen der Schmuckgröße durch deine*n Piercer*in, tägliche Pflege mit Kochsalzlösung und gründliches trocknen (auch nach dem Duschen) sowie Druck- (Stichwort: Schlafdruck und aktuell Mundschutz, hier sollte beispielsweise auf einen Mundschutz zum Binden gewechselt werden) und Bewegungsvermeidung (Finger weg!) können die meisten Problemchen schon lösen.